Auch in diesem August war wieder Popkomm, Europas größte Musikmesse. Ich reiste nach Köln, um mit KLEINKRIEG ein paar Interviews anlässlich des im September erscheinenden Live-Bootlegs von Extrabreit zu geben und lief am Nachmittag auch über die Messe, gespannt, wie sich die seit Jahren anhaltende Depression der Musikindustrie auf den Charakter des Events ausgewirkt hat. Und tatsächlich: Wo früher Sicherheitsvorkehrungen wie bei einem Castor-Transport herrschten, marschierte man jetzt unbehelligt durch einen Seiteneingang rein. Die Zahl der Aussteller war im Gegensatz zu früher überschaubar, die besonders schicken Stände der dot-coms natürlich längst von der Zeit getilgt.
Auf den obligatorischen Label-Parties liess man sich aber nichts anmerken. Bei SPV gab es Konsens-Food und Easy-Listening-House, zu dem auch SPV-Chef Schütz engagiert abhottete. Ich fragte mich schon, wo der für die Hannoveraner typische Metal-Touch geblieben war, als zwei Protagonisten dieser Fachrichtung die Szene betraten. Doro Pesch, die Hüterin des Excalibur–Schwerts, kam nicht ganz überraschend in schwarzem Leder und auch der alte Fiedelfinger Yngwie Malmsteen hatte sich in dasselbe Material gezwängt. Zu Langhaar-Frisur und einer Sonnenbrille, die die Bezeichnung “Sonnenbrett” verdiente, trug er links und rechts zwei stoßstangenlippige, kajaläugige Metal-Keulen, wie sie in jedem antiken Lehrbuch stehen. Alles, wie gewohnt also und ich fühlte mich in meinen Verdacht bestätigt, dass Heavy-Metal-Fans die konservativsten Menschen der Welt sind.
Nicht mal konservativ, sondern bis zur Schmerzhaftigkeit durchschnittlich ging es hingegen im BMG-Beach-Club zu. Über allem loderte ein gebläsegetriebenes Kunststoff-Feuer. Auch hier dasselbe Dance-Mucke, dazu konsumierte man aber gesponserte In-Getränke. Ein paar A&R-Typen und Producer des neuen Zuschnitts
dealten angeregt eine sogenannte Benefiz-Single zur Flutkatastrophe, gigantische Displays verkündeten Maffays schlichte Tabaluga-Weisheiten und Rudel von Soapstars und No-Angels-Klonen bestrichen das Gelände. Nur beim abschliessenden Koma-Saufen im Hyatt gegenüber merkte man, dass die Zeiten sich geändert haben: Wo sich früher prallleibige Promoterinnen zu den glasigen Blicken der Platzhirsche kreischend im Springbrunnen des Foyers wälzten und wo sich am Bartresen zugekokste IT- Vögel im Boomrausch die Champagnerpullen aus der Hand rissen, plätscherte diesmal der Brunnen unbehelligt und an der Bar wurde in ruhigem Takt Bier ausgeschenkt. Nun, die Umsätze der Musikindustrie sind seit 5 Jahren rückläufig und außer der langweiligen “Copy Kills Music”-Lamentiererei scheint der Branche dazu auch nicht viel einzufallen. Aber laut der Süddeutschen” könnte die Krise auch ihr Gutes haben. Im Hinblick auf ein im Herbst erscheinendes neues FEHLFARBEN-Album zitierte sie den alten Spruch “Bad times – good music”. Gebe es Gott...
Zurück in Hamburg, geriet ich dann mit BABY und ein paar Freunden zufällig auf eine “Hippie-Party” in so einem Promi-Bums in Eppendorf. Das erste, was ich sah, war das grinsende Antlitz des bekannten Geistheilers Dieter Bohlen, das zweite die zahllosen Che-Guevara-Poster an den Wänden. Ein paar Ischen hatten sich tatsächlich verkleidet, die große Mehrheit lutschte so langweilig aussehend wie immer an ihren Drinks und wippte mit dem Fuß zu “Samba Pa Ti”. Der Zugang zum unteren Speiseraum war durch Security-Typen verbarrikadiert, die das ganze Hippie-Feeling so richtig abrundeten.
Noch bevor wir unseren Freidrink aufhatten, wechselten wir die Location.