Am 11. Oktober starb mein Bruder. Ralf hatte in vielerlei Beziehung ein ganz anderes Leben als ich, litt sein ganzes Leben immer wieder an gemeinen und ungewöhnlichen Krankheiten. Immer, wenn er sich mit der ihm eigenen Zähigkeit aus einem solchen Tief wieder heraus gearbeitet hatte, folgte irgendwann der nächste Nackenschlag - ein zermürbender Zyklus, der seine Kraft am Ende wohl aufgebracht hat. Er starb mit 41 Jahren an plötzlichem Herzversagen– vor dem Fernseher sitzend.
Unser Verhältnis war nicht immer ungetrübt, oft fehlte ihm in seiner Lage das Verständnis für manche meiner Eskapaden und die Leichtfertigkeit, mit der ich, wie er es empfand, mit meinem Glück und meinen Möglichkeiten umging.
In den letzten Jahren aber haben wir uns wieder mehr und mehr angenähert, wir telefonierten und sahen uns auch öfter. Seine ganz besondere Sicht auf die Dinge des Lebens habe ich immer mehr schätzen gelernt und seine Tapferkeit gegenüber seinem eigenen Schicksal mußte ich mehr und mehr Respekt zollen. Unser beider Humor war gleichermaßen sarkastisch, am Ende kamen wir uns immer näher wie zwei Wanderer, die den Berg von verschiedenen Seiten erklimmen, um am Ende dieselbe Aussicht zu haben.
Einen Bruder und eben einen solchen zu verlieren, ist ein seltsames und lähmendes Gefühl, eine Weile schiebt sich immer wieder ein Vorhang aus tiefer Melancholie und Sinnlosigkeit vor die Pupille – wozu der ganze Hustle?
Seine Beerdigung war ein beeindruckendes und herzzerreißendes Erlebnis. Es waren nicht nur unglaublich viele Leute da, sondern es war vor allem ehrliches Bedauern und echte Traurigkeit in den Augen der Menschen. Er war eben ein sehr charmanter und beliebter Typ und in diesem Moment empfand ich in all der inneren Lähmung auch großen Stolz auf diesen ganz besonderen Menschen – meinen Bruder.
Krisenweihnacht 2002. Aus Verzweiflung über Steuerterror, Rezession und Arbeitslosigkeit stürmen die Menschen die Geschäfte, um im Kaufrausch Vergessen zu suchen...so kam’s mir jedenfalls gestern vor, als ich mich mit vorweihnachtlichen Absichten in die City begab.
Ob’s denn noch etwas wird mit der Bescherung für Saddam? Oder muß das Silvesterfeuerwerk doch noch bis ins nächste Jahr verschoben werden? Die Bush-Crew fühlt sich ja so unantastbar, daß sie ungeachtet der Erkenntnisse irgendwelcher UN-Inspektoren, die im Irak rumkriechen, unverdrossen den Krieg vorbereitet. Diesen lästigen Bullshit mit den Inspektionen muß man halt mit machen – so what?
Währenddessen jongliert Putin, der ja im Windschatten der großen Anti-Terror-Kampagne versucht, Tschetschenien seinen “russischen Frieden” aufzuzwingen, mit “Referenden”. Dabei möchte er am Liebsten die Tschetschenen “noch auf dem Klo abmurksen”. In dieser Region pflegt man ja traditionell einen etwas derberen Umgang miteinander. Und in beiden Fällen geht es um etwas noch Wichtigeres als “Kampf gegen den Terror” oder territoriale Integrität. Es ist immer dasselbe Lied: “Öl ist ein ganz besond’rer Saft...”
Gestern habe ich an der Osterstrasse NEFFE auf ein Kinderkarussell gesetzt – sein erstes Mal. Volltreffer. Er war von dem Ding nicht mehr runter zu bringen und drehte zu einer American-Polka-Version von “Jinglebells” und Peter-Alexander-Weihnachtsliedern jubelnd eine Runde nach der anderen. Das alles war sehr witzig, so ein Murmeltier-Tag –Gefühl...