Sonntag, 28.04.2002

IM RAUSCH DER SINNE beim 4:3 des BVB hier in Hamburg. Ich bin mit ein paar HSV-Fans da und wir kommen gerade rechtzeitig zum Anstoss. Die Arena vibriert, das Tier will los, es streckt sich vor dem Sprung und dann läuft das Spiel. Borussia von Anfang an mit Dynamitfussball, aber Hamburg versteckt sich nicht. Ich stehe inmitten von Schwarz/Weiss/Blauen, dem Keil aus Dortmundern gegenüber und die schwarz/gelben Angriffswellen rollen auf mich zu. Amoroso, katapultschnell, dringt in den Strafraum ein und wird gelegt: Elfmeter für Dortmund, zusätzlich Platzverweis. Beleidigungen und Kunsstoffbecher regnen von den Rängen: Schwuler Pianist! Arschficker! Drüben, auf der anderen Seite weiss man: glasklarer Elfmeter und klassische Notbremse, ausgezeichneter Schiri. Dann, beim Stand von 2:0 für Dortmund Elfer für den HSV, Gelb/Rot für Wörns. Von hier aus schwer zu erkennen.

Anschlusstreffer! Der versprengten Dortmunder Kolonie links von mir recken sich Fäuste entgegen. Nach dem ersten Elfmeter hat es dort ein bisschen Geschubse mit ein paar HSV-Jungs gegeben, eine Abteilung Grüne, die in ihren Gelenkpanzern wie Robocops aussehen, hat Ruhe geschaffen. Die vielleicht 30 Schwarz/Gelben schauen betont desinteressiert zum Anstosspunkt. Halbzeit.

Zehn gegen zehn, das gibt für alle mehr Platz und die Torszenen wechseln wie das Wetter. Als Borussia durch einen linken Hammer von Amoroso das 3:1 macht, bricht die Sonne durch.

84. Minute: Jan Koller, Herr der Lüfte und virtuoser Billardfussballer, hat, von Otto Addo cool bedient, zum 4:2 eingeschoben. In Nürnberg liegt Leverkusen immer noch zurück. Im Ruhrgebiet hüpfen die Herzen. Kann es sein? Hunderte von Handys sind jetzt in Betrieb. Meine Hände in den Manteltaschen werden feucht.
90: Jürgen Kohler, der Stählerne aus Volkes Mitte, lässt Erik Meijer zu viel Raum und der zieht den Ball in weitem Bogen aufs Tor. Lang und länger wird er und Lehmann fliegt und fliegt. 4:3.
Aus! Rosicky drischt den Ball auf die Tribüne, die Dortmunder Bank stürmt aufs Feld, das kann nur eins bedeuten: in Nürnberg ist Schluss und Leverkusen hat vergeigt. Sekunden später die Bestätigung von Labbi, der am Handy hängt. Unfassbar.

Ich schicke DROESE eine „Heja, BVB“-SMS und als ich im Auto sitze, ruft er schon an.
Ich kann mir sein Haifischgrinsen gut vorstellen, als er mir dunkel von der Stärke WERDER BREMENS und dem BAYERN-Mythos spricht. Ich erkläre ihm, dass die schwarz/gelbe Kobra nächste Woche den tödlichen Biss setzen wird, so wie es ihre Natur ist. Dann geraten wir in ein Funkloch.