Sonntag, 03.03.2002

DER SÄNGER UND SONGSCHREIBER MICHY REINCKE hat in der WamS zu Protokoll gegeben, warum er keinen Fernseher besitzt: „Ich weiß, dass die Programmmacher das Ziel haben, süchtig zu machen und das lasse ich mit mir nicht machen.“ Hm. Ich bin, was das Fernsehen betrifft, absolut suchtresistent . Obwohl ich jobmäßig mit diesem Medium befasst bin, empfange ich im Moment nur über Zimmerantenne, d.h. ARD, ZDF, SAT.1,N3 und, bei Umschalten auf den Videorecorder, RTL. Im Großen und Ganzen reicht das aber, um meinen Bedarf zu decken: Nachrichtensendungen, Fussball, Dokus und hin und wieder einen Film. Ausserdem habe ich so einen ganz guten Querschnitt der deutschen Fernsehkultur, von relativ gediegen bis hemmungslos prollig. Wie gesagt, mein Fernsehkonsum hält sich sehr in Grenzen, dass man aber als Künstler dieses Massenmedium komplett ignoriert, macht für mich keinen Sinn, blendet man doch gleichzeitig einen wichtigen Teil der Erfahrungswelt der real existierenden Menschen aus. Die komplette Verzahnung des Fernsehens mit dem gesellschaftlichen Leben, die offensichtliche Dominanz bei der Kristallisation öffentlicher Meinungen und Stimmungen – all das auszublenden, klingt für mich nach Elfenbeinturm. Dass Fernsehen süchtig macht, wie Reincke meint, mag ja stimmen, aber in einem so umfassenden Maße, dass er sich vorkommen muss wie ein Abstinenzler in einem Meer von Säufern.