Sonntag, 02.09.2001

SCHON den ganzen Tag regnet es Bindfäden und alle sagen, der Sommer sei jetzt vorbei. Das sagen die Leute gern, mit so einer Art Lust am Untergang und an pessimistischen Prognosen. Ich lasse die Frage für mich offen, eine Regenwoche macht noch keinen Herbst und außerdem war der Sommer besser als ich noch Anfang Juni dachte.

Allerdings passt solcherlei Melancholie zur allgemeinen Stimmung. Die Wirtschaft dümpelt in der Flaute, weil von jenseits des Atlantik keine Brise mehr weht, die “New Economy” entlässt ihre bunthaarigen und riskant rasierten Kinder und der Kanzler an der Leadgitarre zeigt “Old Slowhand” Clapton, was eine Harke ist. Auch die Vergnügungsbranche ist überhaupt nicht lustig – die Werbeinvestitionen gehen zurück, was zu noch mehr Stagnation im TV führt und das Röcheln der Musikindustrie hört man schon kaum noch, so schwach sind die Geräusche. Zu all dem dann auch noch das niederschmetternde 1:5 gestern gegen England – DEUTSCHLAND im Regen.

SCHÖN war allerdings F.X.Kroetz‘ Trash-Szenario zum 4.Todestag der “Königin der Herzen” gestern in der WELT. Die Frage, was wohl weiter passiert wäre, wenn es eben nicht zu jenem Tunnelaufprall gekommen wäre, beantwortet der Gute mit einem schön irrwitzigen Plot. Neben Dodi und seinem einbürgerungsgeilen Vater spielen auch Charles und Rottweiler Camilla (“Hat die Stute mal wieder ein Fick-In veranstaltet?”) tragende Rollen. Am Ende bläst ein Geheimdienstmann Dodi und Di, die sich mit einem Schokoriegel in die Dusche geflüchtet hat, mit einer Handgranate das Licht aus, um die ganze Sauerei dann der IRA in die Schuhe zu schieben. Diese reizende kleine Geschichte versüßte mir meinen Samstagnachmittag und bestärkte mich noch mal in meinem Vorhaben, endlich an meinem Roman “Der Untergang des Hauses Uscher” weiter zu schreiben – leider komme ich nur sporadisch dazu.

SO verplätschert das Wochenende. BABY löst Kreuzworträtsel, was sie sonst nie tut und später sehen wir uns “Planet der Affen” an. Die BamS hat das gestrige Fussball-Desaster erwartungsgemäß nicht verkraftet, im Kiosk um die Ecke haben offensichtlich die Besitzer gewechselt , die Tauben im Hof gurren und flattern und verlieren Federn. Irgendwo in mittleren Westen der USA scheißt gerade ein Gürteltier in einen alten Hut, der früher mal dem Sheriff von Corpus Christi gehört hat. Wie der wohl dahin kommt?

Inzwischen hat der Regen aufgehört und durchs Fenster, von dem ich auf den Heußweg blicken kann, sehe ich einen riesigen Mann die Strasse überqueren. Seine Beine scheinen steif zu sein, er zieht sie aus dem Hüftgelenk nach vorn, leicht vorgebeugt. Er raucht eine Filterlose und schnippt die Asche ab, die auf den Revers seines großen dunkelroten Jackets landet. Leicht mit den Armen rudernd verschwindet er aus meinem Blickfeld.