Pfingstmontag, 04.06.2001

Ein nasser Tag. Draussen hat es seit heute Mittag Bindfäden geregnet. Ich habe versucht, an meinem Fortsetzungsroman “Der Untergang des Hauses Uscher” zu schreiben, einer Ost/West-Trash-Soap um ein fettes 14jähriges Mädchen, das sich autodidaktisch zur Voodoopriesterin ausbildet, um ihrer Familie das Leben zur Hölle zu machen. Aber irgendwie war ich heute blockiert, voller Selbstzweifel und ohne Biss.

Habe dann für BABY und mich Spaghetti mit Pilzen und Ahornsirup gekocht, es schmeckte irgendwie obskur, aber BABY, tapfer wie sie ist, ließ sich nichts anmerken. Vielleicht hatte sie aber auch nur Hunger.

Gestern rief mein Vater an, um mir mitzuteilen, dass meine Oma stirbt. Sie ist 97 und seit 10 Jahren bettlägerig. Sie hat in all den Jahren nicht zu sehr gelitten, sie war einfach gehunfähig und gebrechlich. Seit ein paar Wochen ist sie verwirrt, sie erkennt Leute nicht mehr und sagt, dass sie schon tot sei. Sie muss viel trinken, aber sie weigert sich, weil sie nicht einsieht, warum sie noch trinken soll, wo sie doch schon tot ist. Meine Schwester und ich wollen hinfahren, um uns von ihr zu verabschieden. Vor ein paar Monaten hat sie mir noch ein Gedicht rezitiert, das sie mit ihrer Schulklasse skandiert hat:

“Der Kaiser ist ein lieber Mann

er wohnt dort in Berlin

und wär das nicht so weit von hier

dann gingen wir heut’ noch hin!”

Meine Oma hat fast das ganze 20. Jahrhundert durchmessen, und obwohl diese Einteilung willkürlich ist, scheint es doch so, als sei dieses ein besonders rasantes gewesen. Aber wer weiß?